Vom schönen Schein.
Wir kennen das alle: an den Weihnachtsfesten nehmen wir unsere Rollen ein. Als zuvorkommende Schwiegertöchter, als lustige Onkel, als Gastgeber, Schenker, Fürgeschenkebedanker…

Aber an allen anderen Tagen wollen wir uns selber sein können. Oder? Und sind wir das dann wirklich? In einem Artikel über Identitätsentwicklung für Unternehmen habe ich folgenden Satz gelesen: “Früher brauchte man Talent, wenn man es in Funk und Fernsehen zu Bekanntheit bringen wollte. Heute reicht eine einfache Inselbegabung: Grinsrübe in die Kamera halten, dummes Zeug reden und einfach nur „da“ sein.” Und ich denke, das gilt eben nicht nur für Prominenz – bzw. sind wir dank der Sozialen Netzwerke alle ein wenig prominent.

Bei einem Fotografen ist das Bild heute zweitrangig geworden, sein Marktwert wird bestimmt von Likes und Followerzahl. Nicht selten sind diese aber gekauft. Der Instagram-Stream ist Strategie und die Fans werden an der Nase herumgeführt. Und die Authentizität? „Ihr seid alle verschieden“, ruft Brian, der Heiland wider Willen, in der Monty Python-Komödie „Das Leben des Brian“ einer vielköpfigen Meute zu. „Ich nicht“, ruft einer keck zurück.

Nicht nur Instagram ist zur Farce geworden, Oobah Butler hat mit einem sehr amüsanten Streich die Gourmetwelt an der Nase herum geführt. Er wurde von Restaurantinhabern dafür bezahlt, Fake-Rezensionen für die Bewertungsseite TripAdvisor zu schreiben. So kam er auf die Idee, aus seinem Hühnerschuppen ein Restaurant zu machen und bald war „The Shed at Dulwich“ bei Tripadvisor das bestbewertete Restaurant in London – ohne dass je ein Menu serviert wurde. Die ganze Geschichte in Bild und Ton hier: zum Link

 

Wahre Schönheit
Weil ihnen Botox gespritzt wurde, durften 12 Kamele in Saudiarabien nicht am jährlichen Schönheitswettbewerb teilnehmen. Dafür finde ich schlicht keine Worte. Die Welt macht sich verrückt mit Schönheitsidealen. Die Definition von Ideal lautet, “ein als höchsten Wert erkanntes Ziel, eine angestrebte Idee der Vollkommenheit”. Mit anderen Worten: unerreichbar, unmöglich, unnatürlich. So wird halt künstlich nachgeholfen, sei es nun chirurgisch oder einfach per Photoshop. Unter dem Titel „Strong is the new beautiful“ habe ich Bilder von Sportlerinnen gemacht um mich für ein neues Körperbild einzusetzen. Das Bild der starken Frau. Stark sein heisst kraftvoll und selbstbewusst sein, körperlich wie geistig. Den Körper für seine Leistungen zu lieben und den Makeln keine Beachtung zu schenken. Deshalb sind die Bilder auch komplett unretuschiert. Schönheit ist eine Haltung und kein Körpertyp. 

 

Echte Menschen
Im letzten Jahr hat Postfinance mit dem neuen Branding auch eine neue Bildwelt lanciert. Die Bildwelt fängt emotionale Momente ein und hält die Kraft des Augenblicks fest. Es sind Bilder, die mit spontaner Überraschung und echter Nähe bewegen. Und mehr noch: viele der Protagonisten in den Bildern sind Mitarbeitende bei Postfinance. Im Dezember durfte ich sie ein weiteres Mal zusammen mit Mimmi Schöldström bei der Arbeit begleiten und eben diese spontanen Momente und die Echtheit des Augenblicks festhalten. Für das Vermitteln von Emotionen ist heute Authentizität gefragt, Perfektion gilt als störend.

 

Menschlichkeit
Für das Fashion Shooting “Concrete Flower” suchten wir Beton, grau in grau. Aber was man beim Betrachten der Bilder nicht erwartet, ist die Geschichte dahinter. Eines der schönsten und modernsten Gebäude in Bern ist nämlich – man glaubt es kaum – der Entsorgungshof Schermen.So durften wir unser Shooting am Sonntag hier durchführen. Und der zuständige Sicherheitsbeauftragte hat seinen freien Tag im Büro verbracht. Vielen Dank dafür! Kaum eine Location ist sauberer und ordentlicher.